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-> Alterungsprozess



Der natürliche Prozess des Alterns

Unser Organismus ist eingebettet in die Rhythmen der Natur wie den Jahreszeitenrhythmus mit der regelmäßigen Abfolge von Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter oder den 24-Stunden-Rhythmus mit dem Wechsel von Tag und Nacht. Nicht immer bewusst ist uns unser individueller Biorhythmus, der auf der körperlichen, der seelischen und der geistigen Ebene jeweils in gleichmäßigen Zyklen seinen Kurvenverlauf nimmt. Nach den Erkenntnissen der chinesischen Medizin wirkt darüber hinaus unsere innere Organuhr auf das rhythmische Zusammenspiel der Kräfte in unserem Körper. Ihrem Rhythmus folgend übernehmen die verschiedenen Organe jeweils im Zwei-Stunden-Takt die Hauptaktivität.

All diese Rhythmen beeinflussen unser gesamtes Befinden: Sie ergänzen einander oder potenzieren sich gegenseitig. Ist zum Beispiel die körperliche Kurve in unserem Biorhythmus unten, hat der Organismus also körperlich auf Sparprogramm und Regeneration geschaltet, empfinden wir das im Winter anders als im Frühjahr, wenn die Natur um uns herum voller Energie und im Aufbruch ist.

Auch der Lebenszyklus aller lebendigen Wesen ist nach einem vorgegebenen Rhythmus von Werden und Vergehen angelegt: Geburt, Kindheit, Jugend, Lebensmitte, Alter, Tod.

Die Generationen lösen sich ab und lassen immer wieder neues Leben entstehen.
Der Wunsch des Einzelnen nach ewiger Jugend und nicht verblühender Schönheit und nach einem langen, gesunden Leben spielt in den Mythen und Sagen vieler Völker und Kulturen eine große Rolle: Der "nie versiegende Jungbrunnen" mit dem Wasser des Lebens ist eine von vielen fan-tasievollen Traumvorstellungen seit Menschengedenken.

Was ist Altern? Welche Veränderungen vollziehen sich während eines Alterungsprozesses? Was kann jeder Einzelne tun, damit er so lange wie möglich körperlich und geistig vital bleibt? Diese Fragen werden in der heutigen Zeit nach verschiedenen Gesichtspunkten immer wieder neu diskutiert: unter biologischen, biochemischen, sozialen, psychologischen oder kulturellen Aspekten. Alle Betrachtungen müssen von der allgemein gültigen Erkenntnis ausgehen, dass die körperlichen Kräfte nach der Lebensmitte abnehmen und jedes Leben nach einem festen Plan der Natur unweigerlich auf ein Ende zuläuft. Dieser Prozess wird beim einzelnen Menschen von seinen jeweiligen Genen gesteuert, ist also in der DNS jeder einzelnen Körperzelle kodiert.

Heutzutage werden die Männer in Deutschland im Durchschnitt rund 75 Jahre alt und die Frauen 81 Jahre. Aufgrund medizinischer Fortschritte und verbesserter Hygiene in den letzten hundert Jahren konnte sich die durchschnittliche Lebenserwartung fast verdoppeln. Dabei spielt sicherlich auch der Rückgang der Kindersterblichkeit, die noch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts sehr verbreitet war, eine entscheidende Rolle.

In den aufeinander folgenden Lebensphasen des Wachsens, Reifens und schließlich des Alterns verändert sich das Verhältnis von aufbauenden und abbauenden Prozessen im menschlichen Körper. In den ersten zwei Lebensjahrzehnten bestimmen aufbauende Prozesse die Entwicklung und das Wachstum des Menschen. Im dritten, vierten und fünften Jahrzehnt sind die aufbauenden und abbauenden Prozesse im Gleichgewicht. Ab Ende des fünften Lebensjahrzehntes nehmen in der Regel die abbauenden Prozesse zu. Angesichts der verlängerten Lebenserwartung lässt sich daraus schließen, dass die Menschen heute im Durchschnitt ungefähr 20 bis 30 Jahre lang die Phase des körperlichen Älterwerdens erleben, in der die abbauenden Prozesse immer deutlicher in den Vordergrund treten.

Vielen Menschen fällt es schwer, zu dieser unumstößlichen Tatsache eine positive, konstruktive Einstellung zu finden. Tatsächlich fällt die Entscheidung im Kopf, und jeder kann für sich mit innerer Gelassenheit Wunsch und Wirklichkeit aufeinander abstimmen:
Die Lebensuhr läuft stetig weiter und zählt die Jahre. Der Zustand von Körperzellen, Blutgefäßen, Gedächtnis, Ausdauer und Kraft, äußerem Erscheinungsbild und gewinnender Ausstrahlung ist jedoch subjektiv zu beeinflussen. Wenn wir in der zweiten Lebenshälfte genauso aktiv und gesund wirken wollen wie in der ersten - und uns auch entsprechend fühlen wollen, dann dürfen wir die Zeit nach der Lebensmitte nicht resignierend und einseitig mit Abbau und Rückgang gleichsetzen und dem nichts entgegensetzen.

Viele Forscher halten freie Radikale für hauptverantwortlich beim Alterungsprozess. Diese aggressiven Moleküle entstehen, wenn in den Zellen bei den Stoffwechselvorgängen Nahrung und Sauerstoff in Energie für den Körper umgewandelt wird. Der Körper versucht, die freien Radikale, die besonders die Zellmembranen und die Erbsubstanz angreifen, mit Unterstützung von so genannten Radikalfängern wie Enzymen, Vitaminen u.a. in Schach zu halten und mit Reparatursystemen die Schäden wieder zu beheben. Im Laufe des Lebens nimmt aber die Widerstandskraft ab - umso stärker und umso früher, wenn negative Einflüsse wie Stress, Rauchen, zu viel Sonne, Umweltgifte, Bewegungsmangel und ungesunde Ernährung die Stoffwechsel prozesse zusätzlich belasten.

Auch der nachlassenden Hormonproduktion im Körper kommt im Alterungsprozess eine entscheidende Bedeutung zu.

Hormone wie das Wachstumshormon Somatotropin, die Geschlechtshormone Testosteron und Östrogen, DHEA oder Melatonin steuern entscheidende Vorgänge im Körper. Somatotropin kurbelt zum Beispiel alle Vorgänge im Organismus an, die im Gewebe, den Muskeln, den Knochen und im Stoffwechsel mit Wachstum zu tun haben.

Testosteron stimuliert beim Mann und zum Teil auch bei der Frau die Libido und stärkt darüber hinaus den typisch männlichen Knochen- und Muskelaufbau. Östrogen ist wichtig für den Stoffwechsel, für die Beschaffenheit von Haut und Haaren, für das Herz-Kreislauf-System und das seelische Gleichgewicht. DHEA (Dehydroepiandrosteron) ist eigentlich eine Hormonvorstufe. Es wird im Körper je nach Geschlecht in Östrogene oder Testosterone umgewandelt und ist nicht nur bei der Konzentrations- und Gedächtnisleistung beteiligt, sondern wirkt sich auch auf das Immunsystem, das Herz-Kreislauf-System und den Stoffwechsel stärkend aus. Deshalb wird es auch das Energie- und Wohlfühlhormon genannt. Melatonin fördert den Schlaf und damit die Regeneration und wirkt im Körper ebenso wie die Vitamine A, C, E und die Spurenelemente Selen und Zink als Radikalfänger.

Schon ab dem 30. Lebensjahr geht die Produktion der Hormondrüsen allmählich zurück, weil nach dem Plan der Natur das Wachstum abgeschlossen und die subtile Aufgabe der Fortpflanzung weitgehend erfüllt worden ist.

Hier setzt die neue so genannte Anti-Aging-Medizin an, die mit Hormontherapien die Werte wieder auf das Niveau eines 35-jährigen Menschen anheben will. Ungebrochene Vitalität, glatte Haut, Muskeln statt Fett, straffes Bindegewebe, starke Psyche, frische Lebens- und Liebeslust - all das und noch manches mehr soll durch entsprechende Hormonzu-gaben erhalten oder wiedergewonnen werden.

Die kontroversen Diskussionen zu diesem heiklen Thema zeigen, wie viele Fragen in der Altersforschung noch offen und ungeklärt sind. Es gibt keine eindeutigen, unzweifelhaften Antworten auf die Fragen, was die Hormontherapien tatsächlich leisten können, und vor allem, welche kurz-, mittel- oder langfristigen Schäden durch hoch potente Hormonzugaben mit komplexen Wirkungen letztlich ausgelöst werden. Auch hier muss der Einzelne entscheiden - mit Verantwortung für sich selbst und großer Achtung vor dem "Wunderwerk Körper", wie weit er in die Abläufe der Natur und ihrer eng miteinander verwobenen Regulations-Systeme eingreifen will. Es kann bei einer offensichtlichen gesundheitlichen Störung sinnvoll sein, Defizite gezielt auszugleichen und mit Hormonen ein dem Alter angemessenes Gleichgewicht wiederherzustellen. Werden die Hormonzugaben individuell fein abgestimmt, kann der Körper sie verarbeiten und in sein Kompensations- und Regulationssystem integrieren.

Ob man sich allerdings ohne gesundheitliche Beschwerden mit hormonellen Anti-Aging-Therapien trotzig gegen das Alter stemmen und versuchen sollte, die Natur auszutricksen, muss jeder mit sich selbst, mit seinem Körper und mit seiner Seele ausmachen.

Vor dem Hintergrund des zentralen Themas dieses Buches lässt sich grundsätzlich sagen, dass nicht nur das Hormonsystem, sondern auch das Immunsystem und das Vegetativum - alle Regelungs- und Kompensa-tionssysteme des Körpers - im Alter anfälliger werden und die Regenera-tionsfähigkeit allgemein nachlässt. Durch eine bewusste Lebensführung kann jeder Mensch aber den natürlichen Alterungsprozess begleiten und muss ihn nicht als ständige, nicht mehr auszugleichende Störung des inneren Gleichgewichts empfinden.

Nach der ayurvedischen Sichtweise ist die Lebensspanne eines gesunden Menschen 120 Jahre, vorausgesetzt, er lebt in Übereinstimmung mit den Gesetzen und Rhythmen der Natur und geht sorgsam mit seiner Le-bensenergie um. Die negativen Begleitumstände des Alterungsprozesses können aufgehalten oder gemildert werden, indem wir den Körper und seine Ausgleichssysteme unterstützen und die natürlichen Abbaupro-zesse mit gesunder Ernährung, ausreichendem Schlaf, genügender Bewegung und Entspannung und einem aktiven geistigen Teilnehmen am Leben um uns herum auffangen. Es wird in der zweiten Lebenshälfte immer entscheidender, dass wir dieses umfassende Lebenskonzept mit seinen Möglichkeiten der Prävention ernst nehmen. Die meisten werden ein solches Konzept nicht neu erfinden müssen, weil sie es womöglich schon lange zumindest theoretisch für sich entwickelt haben und es als überaus sinnvoll und wohltuend erachten. Der entscheidende nächste Schritt ist es, die Motivation zur regelmäßigen Umsetzung fest in sich zu verankern. Während der Körper bis zur Lebensmitte manchen Ausrutscher verzeiht und wir uns schnell erholen und regenerieren, zeigen im zunehmenden Alter Risikofaktoren wie Alkohol, Rauchen. Stress, zu viel UV-Licht, zu wenig Bewegung usw. eine immer nachhaltigere Wirkung. Der Aufwand. Störungen auszugleichen, wird größer, und es wird zunehmend wichtiger zu überprüfen, inwieweit wir unser Energiepotenzial schonen oder entlasten können, um immer wieder eine ausgeglichene Balance zu finden. Ein gewisses Maß an Konsequenz und auch an aufbauender Anstrengung wird seine wohltuende, insgesamt stärkende Wirkung zeigen, denn es ist und bleibt der Lebensstil, der die Art und Weise des Alterns stark beeinflusst.

Mit einer positiven, natürlichen Einstellung zum Leben und damit auch zum Älterwerden behalten wir eine gewinnende, vitale Ausstrahlung und vergrößern die Chance auf ein langes und ausgefülltes Leben bei guter Gesundheit.

 


     


Es muss eine Stunde am Tag geben, wo der Mensch, der zu reden hat, verstummt.

Es muss eine Stunde geben, wo der Mann der Entschlüsse seine Entschlüsse beiseite schiebt, als wären sie alle zerronnen, und wo er eine neue Weisheit lernt: die Sonne vom Mond zu unterscheiden, das Meer vom festen Land und den Nachthimmel von der Wölbung eines Hügels.
 
Thomas Merton
(1915 - 1968)