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-> Vegetative Dystonie



Das vegetative Nervensystem

Der Begriff vegetatives Nervensystem oder Vegetativum leitet sich aus der lateinischen Sprache ab: vegetare heißt "beleben, kräftigen, erregen". Das vegetative Nervensystem ist Teil des menschlichen Nervensystems, zu dem darüber hinaus das zentrale Nervensystem mit Gehirn und Rückenmark sowie das periphere Nervensystem mit den Hirnnerven und den Rückenmarksnerven gehört. Die Aktivitäten des zentralen und peripheren Nervensystems werden vom Willen kontrolliert. Zu unterscheiden ist zwischen bewussten Vorgängen und Automatismen, die zwar willentlich ausgelöst und gesteuert werden, uns aber nicht bewusst sind.

Das vegetative Nervensystem regelt die Anpassung aller Organfunktionen an die jeweiligen Bedürfnisse und übernimmt die Kontrolle des inneren Milieus im Körper im Wesentlichen ohne Einschaltung des Bewusstseins oder des Willens. Deshalb bleiben die Organfunktionen selbst bei tiefer Bewusstlosigkeit erhalten. Das Vegetativum ist der Hüter der körperlichen Rhythmen. Es wurde von der Natur in archaischen Zeiten entwickelt, damit die Menschen bei Angriffen von außen möglichst schnell und reflexartig reagieren konnten. Bei einer Bedrohung wird der Körper unabhängig von unserem Willen in Hab-Acht-Stellung gebracht, und die Körperfunktionen werden heruntergefahren, um alle Energien für die Verteidigung zu bündeln. Entsprechend werden bei "Entwarnung", also in der Entspannung, alle regenerativen Funktionen aktiviert, damit der Organismus wieder Kraft schöpfen kann. In der heutigen Zeit reagiert unser Vegetativum immer noch auf der Grundlage dieser in archaischen Zeiten sinnvollen Idee der Natur, aber unser Leben hat sich verändert.

Das Vegetativum regelt die Vitalfunktionen des Körpers, zum Beispiel die Atmung, den Stoffwechsel und die Verdauung, und hält damit Körpertemperatur, Blutdruck, Blutzuckerspiegel, Hormone und andere lebenswichtige Funktionen im aufeinander abgestimmten Gleichgewicht. Auf diese Weise ist der Organismus flexibel in der Lage, sich auf die Herausforderungen in verschiedenen Situationen angemessen einzustellen. Es ist ein unbestechlicher "Aufpasser" und zeigt uns frühzeitig an, wenn wir aus dem Gleichgewicht gekommen sind. Da wir sowohl aus körperlichen wie aus seelischen Gründen aus der Balance geraten können und diese beiden Ebenen ineinander wirken, fungiert das Vegetativum als eine Art Zwischeninstanz zwischen Körper und Seele.

Im Vegetativum wirken zwei Gegenspieler miteinander und aufeinander ein: der Sympathikus und der Parasympathikus. Während der Sympathikus vorwiegend die Energieentladung und die abbauenden Stoffwechselprozesse im Körper in Gang setzt, sorgt der Parasympathikus für die Energiespeicherung und für die aufbauenden Stoffwechselprozesse. Das Kunstwerk der Natur ist es, dass die Wirkungen dieser beiden Kräfte immer wieder ausgependelt werden, also in einem dynamischen Gleichgewicht sind.

Der Sympathikus hat während des Tages, der aktiven Phase, eine vorherrschende Rolle, der Parasympathikus übernimmt diese Rolle während der Nacht, der passiven Phase, in der wir zur Ruhe kommen.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich: Wenn der Sympathikus in der Nacht nicht die Möglichkeit bekommt, sich zurückzuziehen und zu deaktivieren, kann der Parasympathikus, der nachts für die Regeneration und Entspannung des Organismus verantwortlich ist, seine Aufgabe nicht erfüllen. Dieser Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung entspricht einem Naturgesetz und ist eine wichtige Rahmenbedingung für unser Wohlbefinden.

Macht man sich all diese Zusammenhänge deutlich, erkennt man einmal mehr, was unser Organismus mit seinen kompensierenden Regelungs- und Steuerungsmechanismen ohne unser willentliches Zutun zu leisten im Stande ist.

 


     


Es muss eine Stunde am Tag geben, wo der Mensch, der zu reden hat, verstummt.

Es muss eine Stunde geben, wo der Mann der Entschlüsse seine Entschlüsse beiseite schiebt, als wären sie alle zerronnen, und wo er eine neue Weisheit lernt: die Sonne vom Mond zu unterscheiden, das Meer vom festen Land und den Nachthimmel von der Wölbung eines Hügels.
 
Thomas Merton
(1915 - 1968)